Artikel aus der TAGWERK-Zeitung Nr. 131 von Inge Asendorf:
Schafmilchprodukte vom Milchschafhof Perlesham
So schmeckt ein Klassiker. Erst feinste Sahne, schneeweiß, dick und vollrahmig, dann der milde, feinsäuerliche Abgang. Ein Gedicht, eine perfekte Sinfonie erschmeckt mit geschlossenen Augen.
Wir sprechen von Jogurt. Genauer von Schafjogurt, dem Grand Seigneur unter den sauren Milchprodukten. Hergestellt auf dem Milchschafhof Perlesham in Landkreis Mühldorf.
Schafjogurt ist ein uraltes Kulturgut. Aber nur im südeuropäischen Raum, insbesondere auf dem Balkan, war er verbreitet. Die für den Jogurtgeschmack typische Säuerung der Milch geschieht nämlich durch wärmeliebende (thermophile) Bakterien, die in kälteren Regionen nicht überleben. Wer bei uns ein Glas sauber erzeugte Milch im warmen Zimmer stehen lässt, bekommt im besten Fall durch die spontane Säuerung eine gut schmeckende saure Milch, genannt Dickmilch oder bayrisch: gstöckelte Milch. Schmeckt auch gut, aber nicht nach Jogurt.
Hierzulande gibt es Jogurt erst seit Anfang des 20. Jahrhunderts. Damals gelang es dem Pariser Bakteriologen Elie Metchnikoff zum ersten Mal, die Mikroorganismen zu identifizieren und zu isolieren. Anlass für die Forschungen war die auffällig hohe Lebenserwartung und die robuste Gesundheit bulgarischer Bauern, die täglich ihren Jogurt aus Schafmilch löffelten.
Gute Milch, Wärme und Mikroorganismen
In diesem klassischen Naturjogurt sorgte im Wesentlichen der Lactobacillus bulgaris für die Umwandlung eines Teils des Milchzuckers in Milchsäure. Dabei bilden sich Aromastoffe, die für den typischen Jogurtgeschmack sorgen. Viel zu sauer schmeckt dem Verbraucher aber das Original, und deshalb kommen heute milde Kulturen, also Mischungen verschiedener Arten von Milchsäurebakterien zum Einsatz. Diese haben zusätzlich den Vorteil, dass sie überwiegend rechtsdrehende L(+)-Milchsäure bilden, die schneller abgebaut wird und deshalb ernährungsphysiologisch als besser gilt.
Für den Jogurt wird auf dem Milchschafhof Perlesham die Milch pasteurisiert, d.h. für einige Minuten auf ca. 70°C erhitzt, dann auf 42°C abgekühlt, mit Kulturen geimpft, in die Gläser abgefüllt und im Wärmeschrank bei 42°C fünf Stunden „bebrütet“. Der Jogurt ist dann stichfest, wird nicht mehr gerührt.
Heilsame Orotsäure
Schafmilch ist von besonderer Qualität. Sie liegt mit ihrem Gehalt an Eiweiß, Fett und Mineralsalzen vor Kuh- und Ziegenmilch an der Spitze, und ihr Wassergehalt ist der geringste unter den Milcharten. Dreimal höher ist ihr Vitamin A-Gehalt. Ein weiterer Vorteil ist ihre leichte Verdaulichkeit, bedingt durch die feinere Struktur der Fettmoleküle. Für Säuglinge und Magenschwache ist sie leichter verträglich als andere Milcharten.
Doch das Wichtigste ist ihr hoher Orotsäuregehalt, wodurch ihr Heil- und Schutzwirkung zugeschrieben wird. So enthält z.B. Schafjogurt aus naturbelassener Milch vier bis fünfmal mehr Orotsäure als Jogurt aus Kuhmilch. Orotsäure baut hochwertiges Zellkern-Eiweiß auf, und das nicht nur im frühen Jugendstadium, sondern auch bei älteren Menschen. Sie wirkt also generierend (aufbauend) im jugendlichen Organismus und regenerierend (wiederaufbauend) im alternden oder kranken Organismus.
Das ist aber noch lange nicht alles. Orotsäure gilt auch als ideales Transportmittel für Magnesium, das der Zelle nur durch einen Schlepper zugeführt werden kann. Zwei Moleküle Orotsäure schleppen ein Magnesium-Ion, und der Körper wird gezielt mit der nötigen Menge Magnesium versorgt. Magnesium-Orotat gilt als Vorbeugemittel gegen Krebs, als Mittel gegen Thrombose, es erweitert die Herzkranzgefäße und kann auch der Prostata-Hypertrophie, einer typischen Alterserscheinung bei Männern, vorbeugen.
Perlesham – das „Heim der Perle“
Der Weiler Perlesham liegt inmitten hügeliger Felder und Wiesen nahe Oberbergkirchen im Landkreis Mühldorf. Hier bewirtschaften Michael von Hofacker und Hannah Bauer ihren Milchschafhof nach Demeter-Richtlinien. Gefüttert wird ausschließlich Heu und Gras, Kraftfutter nur als Lockmittel auf dem Melkstand. Und während der Melkzeiten, also vom Frühjahr bis in den Herbst, gibt es auch keine Silage. Im Winter – von November bis Ende Januar – gibt es keine Milch und folglich keinen Jogurt. Die Schafe sind trächtig. Kommen die Lämmer auf die Welt, brauchen erst mal sie die Milch. Aber wenn dann im Frühjahr das frische Futter von den Wiesen kommt, fließt die Milch (für Schafverhältnisse) reichlich.
Die 80 Ostfriesischen Milchschafe – die gängige Milchschafrasse in Deutschland – werden täglich zweimal gemolken. Früher wurde die Milch in die Käserei der Lebensgemeinschaft Höhenberg gebracht und zu Jogurt und Käse verarbeitet. Nachdem Höhenberg die Kapazitäten in der Käserei reduziert hat, wird der Jogurt direkt am Hof in Perlesham hergestellt. Auch frische Schafmilch wird über TAGWERK vermarktet (auf Vorbestellung), und bald soll es auch Schafkäse (Feta-Art und Pecorino) geben.
Schön fett und voller Geschmack
Schafe liefern zwar wertvolle, aber dafür sparsam Milch – bis zu zwei Litern pro Tag am Anfang der Laktationsperiode. Futtererzeugung, Fütterung und der Arbeitsaufwand für Melken, Melk- und Stallhygiene sind im Verhältnis zum Ertrag hoch und rechtfertigen – neben der besonderen Qualität – das gehobene Preisniveau im Vergleich zur Kuhmilch.
Schafmilch hat mindestens 5,5% Fett, weit mehr als Kuh- und Ziegenmilch. Die Herbstmilch ist am reichhaltigsten, sie kann 10% Fett enthalten und ist dann besonders cremig und eiweißhaltig. Ein Genuss – pur oder z.B. nach griechischer Art mit etwas Honig. Laut Imkern sollen übrigens die Enzyme des Honigs Milchprodukte bekömmlicher machen.
Wichtig für Skeptiker: guter Schafjogurt „schafelt“ nicht. Und der Perleshamer Schafjogurt ist ein guter. Schnell probieren!
Inge Asendorf